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Gastbeitrag von Tim Gerdes – I AM Consulting
Sehr, sehr gerne komme ich der Bitte von Antje Liebe nach, für ihr „Coaching mit Pferden“ Blog einen Gastbeitrag zum Thema „Karrierecoaching“ zu schreiben.
Ich möchte einen kleinen Einblick in Sinn und Ziele eines Karrierecoachings geben und würde mich freuen, wenn ich damit dem Einen oder der Anderen einen kleinen Impuls in die richtige Richtung geben würde. – Nicht unbedingt dazu, ein Karrierecoaching zu buchen sondern vielleicht „nur“, das Thema Bewerbung mit etwas anderen Augen zu sehen.
Inhaltsverzeichnis
Wer bin ich, was kann ich, was will ich?
Hand aufs Herz, können Sie eine dieser drei Fragen aus dem Stegreif beantworten? In privater Hinsicht – oder, hier geht es ja um Karrierecoaching, in beruflicher?
Z.B. Wer bin ich? Und hier ist nicht gemeint, welchen Beruf Sie gerade ausüben!
Müssen Sie auch nicht. Jedenfalls nicht, wenn Sie mit Ihrem derzeitigen Job und seinen Perspektiven zufrieden sind, Sie sich nicht in einer Situation befinden, in der Sie Ihrer Karriere – den Deutschen ist meistens der Begriff „beruflichen Situation“ lieber – einen neuen Impuls geben wollen oder müssen.
Dann allerdings sind diese drei Fragen essenziell. Denn wer eine Position zu besetzen hat, möchte genau das über seine BewerberInnen herausfinden. Alle Fragen, die gestellt werden, alle Unterlagen die eingefordert werden, werden nur mit dem Wunsch gestellt und eingefordert: auf diese drei Fragen Antworten zu erhalten:
- Wer bin ich?
- Was kann ich?
- Was will ich?
Die Antworten, die die meisten BewerberInnen geben (mit Lebenslauf, Anschreiben und im Vorstellungsgespräch) beantworten aber nur die Frage:
- Was habe ich im Laufe meines Berufslebens getan?
Dieser Umstand hat sechs wesentliche Ursachen:
- Viele Menschen wissen es nicht besser und meinen, der Name der letzten Position würde alles darüber aussagen, was einpotenzieller Arbeitgeber wissen muss (als Disponent habe ich halt disponiert)
- Fachliche Kompetenzen werden gegenüber den persönlichen überbewertet.
- Viele Menschen befürchten, sich über zu viele Angaben angreifbar zu machen oder so zu positionieren, dass sie im Prozess aussortiert werden. Nach dem Motto: „Eine Schwäche, die nicht entdeckt wurde kickt mich nicht raus.“
- Viele Menschen wissen nicht, welche Informationen in die Bewerbungsunterlagen und ein anschließendes Vorstellungsgespräch gehören und verfahren aus diesem Grund analog Punkt 2.
- Die Frage „Was will ich“ können viele Menschen nicht beantworten, weil sie sich in karrieretechnischer Hinsicht noch nie wirklich Gedanken darüber gemacht haben. Und selbst diejenigen, die sich Gedanken gemacht haben, sind häufig nicht darüber hinausgekommen, Karrierelevel zu definieren („Mit 35 möchte ich Abteilungsleiter sein“).
- Viele Menschen glauben, es wäre von Vorteil, im Bewerbungsprozess keine Wünsche zu äußern, da dies vermessen wirken könnte oder zu Punkt drei dieser kleinen Liste führen könnte.
Wie aber geht man nun mit diesen Ursachen um?
Zu 1: viele Menschen wissen es nicht besser
Stellenbezeichnungen sind keine geschützten Begriffe. Es gibt beispielsweise Unternehmen, in denen Referenten eine höhere Karrierestufe darstellen als Experten, in anderen ist es genau anders herum.
Aber zum obigen Beispiel: Ein Disponent disponiert (in der Regel).
Aber was wir disponiert? Menschen, Termine? Waren? Fahrzeuge?
Womit wird disponiert? Software? Listen?
Wie wird disponiert? In Abstimmung mit Kunden und/oder Mitarbeitern? Oder per Order? Finden Rücksprachen und Abstimmungen statt? Muss flexibel (re)agiert werden? Hat man andere Mitarbeiter geführt? Fachlich oder disziplinarisch?
Auf all diese Frage gibt die Angabe „Disponent bei der Firma XY“ keine Auskunft! Es ist also notwendig, klar zu kommunizieren, WAS man WOMIT und unter welchen RAHMENBEDINGUNGEN getan hat.
Zu 2: fachliche Kompetenzen werden überbewertet
Die Idee, der/die BewerberIn mit den besten fachlichen Qualifikationen solle unbedingt den Job bekommen, ist, gelinge gesagt, nicht sehr schlau.
Kein Mensch möchte mit hochqualifizierten Soziopathen zusammenarbeiten.
Wir besetzen Jobs mit Menschen, die bestimmte Anforderungen jenseits der fachlichen Qualifikationen erfüllen müssen, wie z.B. Teamfähigkeit, Beharrungsvermögen, Engagement (diese werden in Stellenannoncen so häufig genannt, dass man sie kaum noch hören kann) aber auch z.B. ein gewisses Maß an Aggressivität (z.B. wenn der Kunde nicht kaufen will) oder die Fähigkeit, zu ignorieren (z.B. wenn der Kunde wegen einer Kleinigkeit das erste Mal beschwert).
Es ist also von Vorteil, auch seine persönlichen Eigenschaften zu kommunizieren – solange diese mit den Anforderungen, die der potenzielle Arbeitgeber stellt, übereinstimmen.
Zu 3: Furcht sich angreifbar zu machen
Es stimmt schon. Eine Information, die ich nicht gebe, kann beim Gegenüber direkt keine Irritation erzeugen und so auch nicht gegen mich sprechen.
Allerdings führt das Fehlen relevanter Informationen per se schon zu Irritationen. Wenn ich eine Stelle ausschreibe, in der weniger Kreativität als Genauigkeit notwendig ist, wäre ein Hinweis, dass man sehr gerne sehr genau ist auch dann hilfreich, wenn damit klar wird, dass man leider nicht über herausragende Kreativität verfügt.
Vielleicht schlimmer noch (und das sollte an obigem Beispiel deutlich geworden sein), kann eine fehlende Information leider auch nicht für mich sprechen.
Überzeugen können wir ein Gegenüber nur mit guten Argumenten, nicht damit, dass wir schlechte vermeiden.
Zu 4: Unwissenheit
Auf den ersten Blick scheint es leicht zu sein, die Anforderungen herauszufinden, die heute an eine Bewerbung gestellt werden. 1. gibt es das Internet, wo Google auf praktisch jede Frage tausende Antworten findet und 2. gibt es Bewerbungsratgeber, in denen man sich informieren kann.
Die Tatsache, dass Google problemlos tausende Antworten findet, ist auch gleichzeitig das große Problem dieser Methode, denn: Die Antworten unterscheiden sich voneinander, manchmal nur graduell, manchmal erheblich. In Foren und Blogs mischen sich Expertenwissen, Meinungen, Erfahrungsberichte und Hörensagen zu einer Mischung, die am Ende einer langen Recherche häufig mehr Unsicherheit hinterlässt als Gewissheit, was nun zu tun ist.
Bewerbungsratgeber geben zwar Sicherheit, haben aber den Nachteil, dass diese Standards vertreten (müssen), die dann tendenziell auch zu Standardbewerbungen führen.
Standard bedeutet aber auch Durchschnitt – und wer sich bewirbt will (und muss) überdurchschnittlich sein.
Zu 5 & 6: Wünsche & die Furcht der Äußerung von Wünschen
Natürlich weiß Ihr Gegenüber im Bewerbungsprozess, dass Sie Wünsche, Ziele und Bedürfnisse haben. Und sein größtes Ziel ist es, neben den Qualifikationen, die er für eine zu besetzende Stelle benötigt, abzuklären, ob er Ihnen das bieten kann, was Sie wünschen, wollen und brauchen. Ihre Aufgabe als Bewerber ist es, herauszufinden inwieweit Deckungen zwischen dem bestehen, was der potenzielle Arbeitgeber bieten kann und dem, was man selber will. Diese müssen Sie dann aufzeigen.
Wer sich richtig positioniert, hat die größte Hürde auf dem Weg zum neuen Job überwunden.
Genau hier setzt ein Karrierecoaching an.
Im Rahmen eines Karrierecoachings erarbeiten Sie sich Klarheit über Ihre Situation, Ihre Kompetenzen (in fachlicher wie auch persönlicher Hinsicht), Ihre relevanten Rahmenbedingungen, Ihre Wünsche und Bedürfnisse sowie Ihre, damit kongruierenden realistischen Ziele.
Parallel erarbeiten Sie eine Kommunikationsstrategie, in deren Rahmen Unterlagen erstellt und Vorstellungsgespräche vorbereitet werden.
Das Ergebnis ist KLARHEIT.
Klarheit darüber, wer man ist, was man kann und was man will.
Klarheit darüber, was man wie kommunizieren will und welchen „Preis“ man dafür zu zahlen bereit ist.
Klarheit darüber, welche Jobs bei welchen Unternehmen man möchte und dass es manchmal besser ist, wenn man von einem Unternehmen, wo man nicht hinpasst direkt eine Absage zu erhalten als im Vorstellungsgespräch oder gar innerhalb der Probezeit festzustellen, dass man sich auf die falsche Position beworben hat.
Diese Klarheit verschafft einem nicht bei jeder Bewerbung auf jede x-beliebige Stelle Vorteile. Im Gegenteil!
Sie laufen ganz klar „Gefahr“, dort, wo Sie mit Ihren Werten, Zielen und Ihrer Kultur nicht hinpassen, sofort eine Absage zu erhalten!
Dafür aber haben Sie deutlich höhere Chancen, dort wo Sie hinpassen, nicht nur zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden sondern in der Folge auch ein Vertragsangebot zu erhalten.
Der Rheinländer Tim Gerdes, 1967 in Köln geboren, studierte in Paderborn Wirtschaftswissenschaften. Nach dem Studium, das er als Dipl.- Kfm. erfolgreich abschloss, begann er als Berater für Geschäftsprozessmanagement. Im Jahre 2003 machte er sich mit seinem eigenen Unternehmen selbstständig. Er absolvierte in den folgenden Jahren unter anderem Weiterbildungen als hr score+Berater, als European Excellence Assessor nach EFQM sowie als Career Transition Coach. Tim Gerdes begleitet seit dieser Zeit Menschen als Coach und Trainer in der beruflichen Neuorientierung.
2015 suchte Tim Gerdes neue Wege die Beratung kundenorientierter und um neue Methoden angereichert zu gestalten. Mit Kathrin Michel und Carsten Holtkamp fand er genau das Team, in dem er durch andere Sichtweisen bereichert und durch die gleiche Grundmotivation perfekt unterstützt. So entstand so ein neuer, exklusiv auf die Bedürfnisse des Personalmanagements ausgerichteter Dienstleister am Standort Essen: I AM Consulting.