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Was sind Konflikte? Im Folgenden werden verschiedene Konfliktdefinitionen vorgestellt. Zudem werden Funktionen von Konflikten dargelegt, da diese nicht immer negativ sein müssen. Danach werden verschiedene Konfliktarten und Anzeichen von Konflikten vorgestellt.

In sozialen Konflikten werden die Vielfalt und Verschiedenartigkeit von Ansichten und Sachverhalten sichtbar, finden vielfältige und verschiedenartige Elemente Berücksichtigung, welche ohne Konfliktaustragung vielleicht nie ans Tageslicht gekommen wären. Zudem differenzieren sich Bedürfnisse und Gegebenheiten heraus, womit Individualität herausgearbeitet werden könnte.

Definition / Definitionsversuche

In diesem Kapitel sollen fünf unterschiedliche Definitionen von Konflikten aufgezeigt werden.

Ein Konflikt ist gegeben, wenn man untereinander eine Uneinigkeit hat.

Berlew 1977

Berlews Definition ist ein weiter Begriff. Dieser ist meiner Ansicht nach allerdings praktisch unbrauchbar, denn nach dieser Umschreibung lebt jeder mit jedem im Konflikt. Denn es ist eher unwahrscheinlich, dass wir uns mit auch nur einem Menschen in jeder Hinsicht einig sind.

Ein interindividueller – sogenannter sozialer – Konflikt liegt dann vor, wenn zwischen Konfliktparteien, die jeweils aus zumindest einer Person bestehen, unvereinbare Handlungstendenzen beobachtet werden.

Rosenstiel 1980

In dieser Definition werden Handlungstendenzen, Haltungen und Einstellungen zum Kernpunkt gemacht, ohne zu erwähnen, dass diese für die beteiligten Personen als störend oder blockierend erlebt werden.

Um von einem interpersonalen Konflikt sprechen zu können, müssen drei Bedingungen erfüllt sein:
– Interdependenz der Akteure
– Zieldivergenz zwischen den Akteuren
– eine fehlende attraktive Alternative.

Tries & Reinhardt 2008

Laut Tries & Reinhardt müssen (zwischenmenschliche) Konflikte Abhängigkeiten zwischen den Konfliktpartnern und Störungen bei der Zielerreichung sowie eine fehlende (attraktive) Alternative aufweisen.

Menschen befinden sich in vielfältigen sozialen Systemen. Deren zentraler Zweck besteht darin, die gemeinsam vereinbarten Ziele durch koordinierte Aktivitäten zu erreichen. Dadurch entstehen eben diese wechselseitigen Abhängigkeiten (Interdependenzen). Dadurch kann es eben sein, das Ziele ausgegrenzt werden, die unmittelbar oder mittelbar nicht durch die Interdependenz beeinflusst ist.

Trotz gemeinsam vereinbarter Ziele kann es zu Störungen kommen, die die gemeinsame Zielerreichung erschwert, behindert oder ganz unmöglich macht. Dazu können auch die individuellen Ziele der beteiligten Personen gehören. Denn zwischen individuellen und gemeinsamen Zielen können Unvereinbarkeiten auftreten.

Zudem gibt es immer auch Attraktivitätserwartungen an soziale Systeme. Dabei beschäftigen die Konfliktpartner zum Beispiel die Frage „Bekomme ich so viel zurück, wie dass, was ich in das soziale System investiert habe?“. Hat man dann den Eindruck, dass das was herausbekommt deutlich geringer ist, als das was man investiert hat, dann entsteht eben Unzufriedenheit und zum Teil Frust. Diese können dazu führen, das man soziale Systeme verlässt oder in andere soziale Systeme wechselt, wenn diese eine attraktivere Alternative bieten.

Wir sprechen von einem echten Konflikt, wenn widersprüchliche Interessen auftreten, die von unterschiedlichen Menschen oder Menschengruppen vertreten werden und die in der Erreichung ihrer Interessen auf einander angewiesen sind (oder dies zumindest glauben).

Pesendorf 2004

Dies ist meines Erachtens nach eine praktikable Definition von Konflikten, die eine gut Grundlage für die Praxis bildet.

Ein sozialer Konflikt ist eine Interaktion zwischen Aktoren (Individuen, Gruppen, Organisationen) wobei wenigstens ein Aktor: Unvereinbarkeiten im Denken / Vorstellen / Wahrnehmen und/oder Fühlen und/oder Wollen mit dem anderen Aktoren in der Art erlebt, dass im Verwirklichen dessen, was der Aktor denkt, fühlt oder will eine Beeinträchtigung durch einen anderen Aktor erfolge.

Glasl 2013

Damit definiert Glasl einen sozialen Konflikt als ein aufeinander bezogenes Handeln oder Kommunizieren. So genügt es laut Glasl, dass bereits ein Aktor eine Unvereinbarkeit feststellt. Diese Unvereinbarkeit kann im Denken, Vorstellen, Wahrnehmen, also auf der kognitiven  Ebene gegeben sein, auftreten aber dazu muss eben auch ein entsprechendes Realisierungshandeln kommen (verbale Kommunikation). Zudem muss die Unvereinbarkeit auch im Gefühls- bzw. Willensleben gegeben sein.

Diese Unvereinbarkeit besteht darin, dass der Aktor die Gründe für das Nicht-Verwirklichen der eigenen Gedanken, Gefühle der anderen Partei zuschreibt. Dabei sagt Glasl, dass ohne die Realisierung und das Erleben der Beeinträchtigung seitens immer einer Partei, kann nicht von einem sozialen Konflikt gesprochen werden, denn sonst wäre unsere ganzen Existenz nur ein Konflikt. Und selbst wenn nur eine Partei dies subjektiv so erlebt, wird sie sich auch in ihrer Kommunikation mit dem vermeintlichen Gegner und im übrigen Verhalten so benehmen, dass sie die Beeinträchtigung durch den anderen Aktor unwirksam machen will.

Für Glasl ist es kein sozialer Konflikt, wenn es

  • Unvereinbarkeiten im kognitiven Bereich gibt, wie zum Beispiel unterschiedliche Begriffsdefinition ohne Feindschaft, als Basis für Kreativität und Ideen gibt.
  • Unvereinbarkeiten im Fühlen kommt, wie zum Beispiel unterschiedlicher Musikgeschmack. (Zum Konflikt kommt es erst, wenn es um die Auswahl eines Radiosender geht.)
  • Unvereinbarkeiten im Wollen kommt, wie zum Beispiel bloße Willensunterschiede. (Gesellen sich Gefühlsgegensätze und unvereinbare Vorstellungen dazu, entsteht ein Konflikte, der zu feindseligem Verhalten führen kann.)
  • Unvereinbares Verhalten gibt, wie zum Beispiel jemand stößt einen anderen Menschen in einer Menschenmenge an.

Funktionen von Konflikten

Konflikte bringen zum Einen Unterschiede hiervor, zum Beispiel mit den folgenden Fragen:

  • Wie unterscheide ich mich von anderen?
  • Wer ist wofür zuständig?
  • Wer ist stärker?
  • Wer ist besser?

Damit dienen Konflikte auch dem Bearbeiten von Unterschieden und geben Anlass unter Umständen Veränderungsprozesse anzustossen.

Konflikte dienen aber auch als notwendiges Instrument um zu selektieren (Prinzip der Konkurrenz). Dabei ist es aber wesentlich, diese Widersprüche rechtzeitig zur Sprache zu bringen und sie auszutragen. So kann die Lösungen von Konflikten eben auch zur Stiftung von Einheit und Einigkeit beitragen.

Konflikte, welche auf Unterschieden aufbauen, garantieren somit auch so eine Art Realitätsbezug von Personen, Gruppen und Organisationen. Jeder, der von der Gruppennorm abweicht, gefährdet damit auch den Gruppenstandard. Welcher ja wiederum die Sicherheit der Gruppe darstellt. Und damit leiten abweichende Haltungen den unangenehmen Zustand der Verunsicherung ein.

Konfliktarten

Es werden drei Konfliktarten unterschieden: der offene, der verdeckte und der verschobene Konflikt.

Beim offenen Konflikt wird der Interessengegensatz für alle beteiligten Personen sichtbar. Dabei kann der Konflikt sowohl hart in der Sache, aber freundlich im Umgang – als auch laut und mit unfairen Angriffen ausgetragen werden.

Bei den verdeckten Konflikten hingegen ist nicht allen Beteiligten klar, dass sie sich miteinander im Konflikt befinden. Dies ist zum Teil dadurch bedingt, dass einzelne Beteiligte ihre Interessen verdeckt verfolgen.

Die verschobene Konflikte, zeigen sich nicht dort, wo sie entstanden sind, sondern werden in anderem Zusammenhang sichtbar. So können diese Konflikte dort, wo sie zum Ausbruch kommen, meist nicht gelöst werden. Sehr oft sind sie für die dort Beteiligten nicht nachvollziehbar und führen dadurch nicht selten zu Folgekonflikten.

Anzeichen von Konflikten

Viele Konflikte zeigen sich bereits im Vorfeld, so dass sie damit eine Bewältigung vor einer Eskalation bieten. Im Nachfolgenden stelle ich drei Anzeichen vor.

Das erste Anzeichen für Konflikte ist eine schlechte Teamstimmung. Diese kann sich zum Beispiel an folgenden Kennzeichen zu erkennen sein:

  • aggressiver Kommunikationsstil,
  • verhärtete Diskussionen,
  • Killerphrasen,
  • Schlagworte unter der Gürtellinie,
  • Themen zerreden,
  • keine Kompromissbereitschaft

Unabhängig ob es sich um ein Team handelt oder nicht, sind nicht eingehaltene Vereinbarungen ein zweites Anzeichen für Konflikte. Hierbei geht es zum Beispiel darum unpünktlich oder unzuverlässig zu sein.

Ein drittes Anzeichen für Konflikte kann sein, wenn sich eine oder mehrere Personen zurückziehen. Kennzeichen für ein Zurückziehen können sein:

  • Weigerung, Aufgaben zu übernehmen
  • Verweis auf andere Abwesenheiten
  • Unaufmerksamkeit,
  • Passivität,
  • Vermeidung von Augenkontakt
  • Flucht in andere Arbeiten außerhalb des Projektes
  • heimliche Blockaden: Aussagen und Handeln klaffen auseinander

Konfliktdynamik

Sehr wichtig bei Konflikten ist auch die Betrachtung der Konfliktdynamik. Diese verdeutlicht Basismechanismen, die bei aller Individualität, bei jedem Menschen wirken können. Diese stelle ich in einem eigenen Blogpost vor: Modell der Konfliktdynamik nach Glasl.

Quelle: Glasl, F. (2014): Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte und Berater. 11. Aufl., HauptVerlag: Bern/Stuttgart.


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